warum ich gekündigt habe. und 4 monate allein durch südamerika reise.

Krass. Manchmal ändert sich das Leben oder, um es etwas weniger dramatisch zu formulieren, bestimmte Lebenssituation ziemlich unverhofft.Ich habe schon länger gemerkt, dass es an der Zeit für mich ist, etwas anderes zu beginnen. Drei Jahre in meinem Job im Bereich E-Learning in der politischen Bildung – davor fast drei Jahre bei einer Berliner Stiftung – ich brauchte neuen Input, hatte das Gefühl noch nicht ausgelernt zu haben und wollte mich weiterentwickeln.

Studium, neuer Job, beides? Oder doch lieber auf ins Abenteuer?

Die Lösung: Endlich den Master machen. Das steht eh schon ewig auf dem Plan. Und mit fast 30 ist man dann ja auch soweit, oder? Ein paar Bewerbungen, Vorstellungsgespräche und ich hatte einen Studienplatz für einen berufsbegleitenden MBA in Berlin in der Tasche. Und auf einmal war ich mir nicht mehr so sicher. Boah, ganz schön teuer das Ganze, ich binde mich weitere zwei Jahre an meine aktuelle Stelle (eine Beförderung oder andere Weiterentwicklung innerhalb der Institution stand nicht in Aussicht) und soll es eigentlich wirklich ein MBA sein? Und wie geht es danach weiter? Eigentlich würde ich doch so gern nochmal länger verreisen… Und plötzlich ging alles ganz schnell: Innerhalb weniger Wochen wurde (absolut unverhofft) meine Abteilung abgewickelt, die Stellen, die mir angeboten wurden, sprachen mich nicht im Geringsten an (und entsprachen auch nicht meinen Fähigkeiten) und ich einigte mich mit dem Personalchef auf einen kurzfristigen Aufhebungsvertrag.

Freiwillig einen unbefristeten Arbeitsvertrag beenden?

Nicht nur meine Mama war besorgt. Aber ich bin zu jung, zu engagiert, zu motiviert und zu gut in dem was ich tue, um einen Job zu machen, der mich nicht erfüllt, der mich weder fordert und noch fördert. Ich stehe quasi in der Blütezeit meines (Arbeits-)Lebens. Oder so. Puh. Das kam trotzdem alles sehr unerwartet. Und jetzt? Sollte ich mir nicht etwas Neues suchen? Vernünftig sein? Das tun, was man von mir erwartet? Nee, irgendwie nicht. Wenn nicht jetzt, wann dann? Aufschieben ist so 2015. Ich möchte reisen. In fremde Kulturen eintauchen und zwar länger als drei Wochen. Ich möchte richtig ankommen und nicht von einem Ort zum nächsten hetzen, um in kürzester Zeit so viel wie möglich zu sehen. Dazu habe ich später noch genug Zeit. Wenn ich nicht mehr so flexibel in meinen Entscheidungen bin.

Warum alleine reisen? Und dann auch noch durch Südamerika?

Ich habe schon öfter längere Zeit im Ausland gelebt, das erste Mal mit 16 zum Schüleraustausch in Australien. Aber irgendwie war ich nie allein. Ich hatte immer jemanden an meiner Seite und das war auch verdammt gut so. Den Schülraustausch habe ich mit einer meiner engsten Freundinnen gemacht. Wir lebten zwar in verschiedenen Gastfamilien, aber wir waren niemals auf uns allein gestellt. Als ich für mehrere Monate nach Kolumbien und später für ein Jahr zurück nach Australien ging, tat ich das, um dort mit meinem damaligen Freund zu leben. Kenia und Uganda erlebte ich auf mehreren Projektreisen mit meinem Team von 2aid.org und so weiter, so weiter.
Ich möchte jetzt einfach mal erleben, wie es ist, auf sich allein gestellt zu sein. In der „Fremde“. Was das mit mir macht, wie es mich verändert. Wie es ist, völlig frei entscheiden zu können – aber auch zu müssen.
Als die Idee, eine Auszeit zu nehmen das erste mal aufkam, schossen mir spontan Südamerika und Südostasien in den Kopf. Ich entschied mich recht schnell für Südamerika. Einerseits, weil ich meinem Herzen folgte, andererseits habe ich knallharte Argumente.

Argument 1: Ich spreche Spanisch. Um richtig in das Leben vor Ort eintauchen zu können, muss ich mich mit jedem (Indigene seien an der Stelle ausgenommen) unterhalten können. Ich will tiefer gehen als „Bitte, Danke, Wie geht es dir? Wie komme ich dort hin?. Und ich will verstehen (und kontern), wenn der eine Taxifahrer dem anderen vorschlägt, den doppelten Preis von mir zu verlangen, weil die Gringas ja eh keine Ahnung haben.

Argument 2: Ich habe Freunde (über Freunde) dort und eine Leidenschaft für diese Ecke der Welt. Durch meine drei Kolumbienbesuche und Freunde und Bekannte aus verschiedenen Regionen Südamerikas habe ich einen gewissen Bezug, ja fast schon eine Leidenschaft für die Lebensart, die Natur, die Musik entwickelt. Der Vibe stimmt. Ich weiß zumindest annähernd, worauf ich mich einlasse (ja, schon klar, die Länder unterscheiden sich zum Teil extrem voneinander, aber ich lasse mir dieses Argument nicht ausreden. Es fühlt sich einfach zu richtig an). Außerdem habe ich den ein oder anderen Kontakt und Ansprechpartner vor Ort, der mir helfen wird, anzukommen oder an den ich mich im Notfall wenden kann.

Ich bin mir der Tatsache bewusst, das Südamerika ein heißes Pflaster sein kann. Eine größtenteils hohe Armutsrate begünstigt Kriminalität, „Machismo“ ist in weiten Teilen stark verbreiten und ich weiß, dass ich sehr bewusst und aufmerksam reisen muss. Nichts desto trotz möchte mich von den möglichen Gefahren und Ängsten nicht leiten lassen, sondern an ihnen wachsen. In meinen Augen gibt es mehr Pros als Cons. Darum habe ich vor drei Tagen gebucht.

Fotograf: Andi Weiland, Model: Bea Paeßler

Was sagen die Anderen dazu?

Die Reaktionen, die ich auf meine Pläne erhalte, sind sehr unterschiedlich. Meine Mama macht sich Sorgen. Hin und wieder, wenn neben den Sorgen dafür Platz ist, dann ist sie ganz stolz auf mich. Mein Vater findet, ich sollte dringend weiter (?) an meiner Karriere arbeiten. Manche sagen nichts, aber ich sehe ihnen ihre Skepsis an. Aber viele freuen sich auch einfach mit mir. Besonders meine beste Freundin, sie ist fast genauso aufgeregt wie ich. Das tut gut. Ja, und mein Freund, der findet es verständlicherweise irgendwie nicht so toll, dass ich mich entschlossen habe, das alles allein durchzuziehen und ihn vier Monate in Berlin zurückzulassen. Aber das ist ja ein Teil des Prozesses. Die erste große Entscheidung auf diesem Weg war es, den Weg anzutreten. Und die habe ich ganz allein getroffen. Und am Ende weiß ich, dass die Menschen, die mir wirklich wichtig sind, für mich da sein und hinter mir stehen werden. So wie sie es immer getan haben. Und das erfüllt mich mit großer Dankbarkeit. (PS. Mein Freund schenkte mir zu Weihnachten ein Travel-Ebook über Südamerika – seine Art zu sagen „Nun mach schon, auf mit dir. Ich weiß, dass dich eh keiner aufhalten kann“. <3)

In der nächsten Zeit werde ich dir hier berichten, wo genau es hingehen soll, was es alles vorzubereiten und einzukaufen gibt und was dieses Projekt Reise mit mir und den Menschen um mich herum macht. Ich freue mich sehr, wenn du ab und an hier vorbei schaust!

Und wie sieht es bei dir aus?

Hast du ähnliche Entscheidungsprozesse hinter dir? Wie bist du damit umgegangen? Hinterlasse gern einen Kommentar – ich bin gespannt von dir zu hören!

Fotograf: Andi Weiland, Model: Bea Paeßler VIELEN DANK an Andi für die tollen Fotos, die er an einem sonnigen Oktobertag von mir machte. Mehr von Andis vielseitiger Arbeit findet ihr unter www.andiweiland.de

13 Comments

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  1. 1
    KiM

    Fühle mich gerade an deiner Seite, ich habe ebenfalls meinen unbefristeten Job gekündigt und werde ab August nach Kolumbien reisen, danach geht es weiter nach Ecuador!
    Wenn ich zurück komme, stehe ich ohne Wohnung und Job da, aber ich denke, Herausforderungen sind zum meistern da und ich habe es mir so ausgesucht!
    Ein weiterer Grund für die Kündigung ist ein Umzug in eine andere Stadt.
    Also kann ich sehr mit dir mitfühlen!
    Ich wünsche dir viele, unvergessliche Erfahrungen und eine tolle Zeit! 🙂

    • 2
      bea

      wow – kim! danke für deinen kommentar <3 ich wünsche dir wundervolle momente, begegnungen, erinnerungen.

  2. 3
    petrapabst

    Ich finds immer noch klasse und bin ein kleines bisschen neidisch… Auch wenn einige das nicht ganz nachvollziehen können, alleine reisen ist genau so toll wie mit guten Freunden – nur eben ganz anders. Das wird großartig!

  3. 8
    Alexa Dillaxa

    Liebe Bea,

    super Idee! April bis Juli? Schade! Aber wenn es dann doch bis November wird, treffen wir uns hoffentlich! Oder komm doch zu uns an Bord 😉 Auch eine krasse Erfahrung, das verspreche ich Dir! Ich habe es bis jetzt noch nicht bereut und schippere noch eine Weile weiter …
    Ich finde Deine Entscheidung Klasse, 4 Monate sind ganz, ganz kurz, das solltest Du lieber noch mal überlegen. Vielleicht auch mit Bruce Chatwin durch Patagonien? Oder mit Frida Kahlo in Mexiko.
    Und ich hoffe, wir können Dich hier alle etwas begleiten? Online bist Du eh nie allein – sagt die alte Bordmalerin!
    Alles, alles Gute! Das wird toll!

    • 9
      Bea Paeßler

      Liebe Alexa, Anfang August wird meine Nichte eingeschult – ein absoluter Pflichttermin! Aber vielleicht bin ich im November ja schon wieder auf der Nächten Reise. Patagonien steht auf jeden Fall bei dieser schon auf dem Plan.
      Mit dir Weltenbummlerin kann eh keiner mithalten. Bewundernswert!

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